Diese Frage ist seit vielen Jahren bei jeder Auftragsvergabe durch den Auftraggeber zu beantworten. Ist der beauftragte Unternehmer wirklich selbstständig oder scheinselbstständig und daher als Arbeitnehmer anzustellen. Die Wirtschaftsberatung Ernst & Young hat in einer Untersuchung festgestellt, dass potenziell 1,2 Millionen scheinselbstständige Personen in Deutschland tätig sind. Ein Großteil dieser Personen ist sogar in den Räumen des Auftraggebers tätig und in die Betriebsabläufe des Auftraggebers eingebunden.
Scheinselbstständig ist eine Person laut Gesetz, die formal als selbstständig tätige Person (Unternehmer) eingestuft wird, es sich aber tatsächlich bei ihr um eine nichtselbstständig tätige Person handelt. Diese Person ist nur scheinbar selbstständig tätig. Der Auftraggeber ist in Wirklichkeit Arbeitgeber! Die Rechtsfolge ist, dass alle Rechte eines Arbeitnehmers gelten: Kündigungsschutz, Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch usw.
Der vermeintliche Auftraggeber/tatsächliche Arbeitgeber ist einerseits verpflichtet, für diese Person Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, und andererseits muss er die Sozialversicherungsbeiträge abführen (ca. 40% des Honorars, das aufgrund des Zuflusses als Nettolohn angesehen wird). Für den Arbeitgeber kann dies teuer werden, denn Sozialversicherungsbeiträge verjähren frühestens nach vier Jahren, und nur für die letzten drei Abrechnungszeiträume kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer diese Beträge nachfordern.
Die Abgrenzung ist nicht immer einfach, da die gesetzliche Definition viel Spielraum zulässt. Hat der Auftragnehmer mehrere Kunden, für die er auch gleichzeitig arbeitet, eigene Geschäftsräume, eigene Arbeitsmittel, eine aktive Webseite oder eine Mitgliedschaft im Berufsverband, können dies Anzeichen für eine echte Selbstständigkeit sein. Wer aber ständig bei seinem Auftraggeber arbeitet und dort vielleicht sogar seine Arbeitszeit erfassen oder seine Abwesenheit melden muss, gilt als scheinselbstständig.
Wird eine GmbH beauftragt sollte man ebenfalls die Scheinselbstständigkeit prüfen. Handelt es sich dabei um eine sogenannte Ein-Mann-GmbH, sind die genannten Kriterien ebenfalls zu prüfen.
Um sicher zu gehen, bietet die Deutsche Rentenversicherung das sog. Statusverfahren an. Hierbei wird verbindlich geklärt, ob eine Person angestellt oder selbstständig tätig ist. Vorteil dabei ist, dass eine festgestellte Scheinselbstständigkeit erst nach Abschluss der Prüfung wirkt. Der Auftraggeber/Arbeitgeber muss erst ab diesem Zeitpunkt den Auftragnehmer wie einen Arbeitnehmer abrechnen.
Die in der Vergangenheit durch die Deutsche Rentenversicherung durchgeführten Prüfungen haben sich mit dieser Problematik bereits befasst. Dies soll in der Zukunft verstärkt werden. Man sollte daher genau bei der Vergabe von Aufträgen an zum Beispiel Einzelunternehmer die Scheinselbstständigkeit prüfen. Wir unterstützen Sie dabei gerne – auch bei der Durchführung des Statusverfahrens.
HAZ/NP Nordhannoversche Zeitung vom 20. Oktober 2016